Diskussion über neonationalistische Gewalt
Die Gefahr vom Rechtsterrorismus in Deutschland ist zur Zeit allgegenwärtig. Vier Brandanschläge auf türkische Geschäfte im November in Peine zeigen, dass auch unsere Region betroffen ist.. Im Gewerkschaftshaus Salzgitter diskutierte Rechtsextremismus-Experte Prof. Dr. Hajo Funke über Hintergründe und Lösungsansätze.
Auf Einladung der IG Metall Salzgitter-Peine und des Bündnisses gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit hatten sich am Donnerstagabend etwa 150 Besucher im großen Saal des Gewerkschaftshauses eingefunden.
„Es fehlt an Informationen, darum treffen wir uns heute hier. Wenn wir uns gegen den braunen Rand der Gesellschaft wehren wollen, brauchen wir einen Schulterschluss“, begrüßte Bündnissprecher Gerd Graw seine Gäste aus Gewerkschaft, Politik und Wirtschaft.
Bürgermeister Stefan Klein freute es vor allem, dass Auszubildene vom VW-Werk in Salzgitter und somit auch Jugendliche bei der Diskussionsrunde zum Thema „Rechte Gewalt“ im Gewerkschaftshaus anwesend waren: „Die Stadt bildet gemeinsam mit dem Bündnis gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit eine starke Front gegen Rechts und davon weichen wir auch keinen Milimeter ab“, so Klein. Das Bündnis „Salzgitter passt auf“ zeige, dass sämtliche Institutionen der Stadt an einem Strang ziehen.
Wolfgang Räschke, erster Bevollmächtigter der IG Metall Salzgitter-Peine, stimmte seinem Vorredner zu und ist der Meinung, dass die Menschen quer durch die Gesellschaft jetzt Flagge zeigen müssten. „Aktionen wie das Bürgerfrühstück in Salzgitter oder der Lauf gegen Rechts sind sehr gute Aktionen, die fortgesetzt werden müssen“, so Räschke.
Vor allem das Verbot von Infoständen der NPD in Lebenstedts Innenstadt durch Oberbürgermeister Frank Klingebiel seien das richtige Zeichen der Politik, dem Rechtextremismus keine Chance zu geben, so Räschke weiter.
Hauptredner des Abends war Prof. Dr. Hajo Funke. Der ausgewiesene Rechtsextremismus-Experte sagte klar, dass die Zeit der Verharmlosung von rechter Gewalt endgültig vorbei sei und das jetzt gehandelt werden müsse.
„Verbindungen von den sogenannten freien Netzen, wie der Terrorgruppe in Sachsen, auf deren Konto zehn Morde in den letzten 13 Jahren gehen, zu rechtsradikalen Musikbands und sogar zur NPD waren in der Vergangenheit deutlich erkennbar. Ich verstehe nicht, warum dies nicht gesehen wurde“, kritisierte Funke Politik und Polizei.
Gründe für die Radikalisierung in der rechten Szene vor allem in Ostdeutschland sieht Funke klar in Fehlern, die nach der deutschen Einheit gemacht wurden. Zu der psychologischen Erschütterung der Bürger der ehemaligen DDR durch den Verlust von Arbeitsplätzen, kam eine Orientierungslosigkeit der Folgegeneration. „Die neonationalistischen Bewegungen nutzten diesen Wutstau der Jugend aus und rekrutierte somit immer mehr Anhänger“, so Funke. Die Politik schenkte dieser Entwicklung nicht genügend Aufmerksamkeit, erklärte er weiter.
Aktuell sei es vor allem wichtig, dem Protest gegen Rechts eine Stimme durch alle Gesellschaftsschichten zu verleihen. „Außerdem muss eine lückenlose Aufklärung betrieben werden. 2500 Asservate und einige Festplatten müssen genauestens untersucht werden“, erklärte Funke. Ein Untersuchungsausschuss sei unvermeidlich.
Vor allem der investigative Journalismus könne den Druck auf den Rechtsterrorismus durch immer neue „Schocknachrichten“ aufrecht erhalten: „So wird die Gesellschaft ständig daran erinnert, ihre Stimme gegen Rechts zu erheben.“
mh