Altersarmut in Wolfsburg: Wenn die Rente nicht reicht
Wolfsburg. „Wir dürfen nicht aus dem Blick verlieren, wie Altersarmut bekämpft und langfristig verhindert werden kann“, kommentiert der Vorstandsvorsitzende des AWO-Bezirksverbandes Braunschweig, Rifat Fersahoglu-Weber, den dramatischen Anstieg der Zahl älterer Menschen, die von ihrer Rente nicht leben können und die so genannte Grundsicherung benötigen.
Nach den vorgestellten Zahlen des Statistischen Bundesamtes stieg die Empfängerzahl um 7,4 Prozent, wobei nicht vergessen werden darf, dass viele Menschen aus Unkenntnis oder Scham die ihnen zustehende Leistung gar nicht beantragen. „Um zu verhindern, dass es immer mehr ältere Menschen gibt, deren Rente zum Leben nicht ausreicht, müssen der Niedriglohnsektor eingedämmt und ein weiteres Absinken des Rentenniveaus vermieden werden“, fordert Fersahoglu-Weber.
Die AWO spricht sich seit langem für eine soziale Rentenpolitik aus, denn viele ältere Menschen profitierten von den Rentenreformen der Bundesregierung nicht. Neben wirksamen Reformen am Arbeitsmarkt wie der Eindämmung des Niedriglohnsektors müssten weitere Maßnahmen ergriffen werden: „Vermieden werden muss zum einen ein weiteres Absenken des Rentenniveaus, das beispielsweise durch eine Streichung der Dämpfungsfaktoren aus der Rentenanpassungsformel erreicht werden könnte. Ehrlich diskutieren müssen wir auch die Weiterentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung. Zudem muss sich private Vorsorge mehr lohnen. Nur auf diese Weise kann die Gerechtigkeitslücke geschlossen und sichergestellt werden, dass alle, die lange Jahre gearbeitet haben, im Alter über Einkünfte oberhalb des Grundsicherungsniveaus verfügen“, führt Fersahoglu-Weber aus.
Der Statistik zufolge bezogen zum Stichtag 31. Dezember 2013 in Deutschland knapp eine halbe Million Menschen über 65 Jahre Leistungen der Grundsicherung im Alter. Damit stieg die Zahl der Hilfebeziehenden im Vergleich zum Vorjahr um 7,4 Prozent. Eine Zahl, die nach Ansicht der AWO trügt, da das Problem und Ausmaß drohender Einkommensarmut im Alter mit ihr weder ausreichend beschrieben noch erfasst werde.
Daher fordert die AWO in einem Papier unter den Schlagworten Rentenkürzungen stoppen, Altersarmut verhindern, Lebensstandard sichern mehr Solidarität in der Alterssicherung.
Durch Darlehen in die AltersarmutAltersarmut im reichen Wolfsburg? „Gibt es auch, man mag es kaum glauben“, so Marcus Musiol vom AWO-Kreisverband Wolfsburg.
Tatsächlich ist es so, dass auch in der Volkswagenstadt viele Menschen von einer zu schmalen Rente nicht leben können. „Häufig bekommen die Betroffenen auch eine gute Rente, rutschen aber durch ihre Darlehensverbindlichkeiten in die Altersarmut“, so der Experte der AWO-Schuldnerberatung. „Wenn zum Beispiel ein älteres Paar eine Rente bezieht, mit der es gut auskommen und seine Darlehen tilgen kann, dann aber ein plötzlicher Schicksalsschlag erfolgt und die beiden in ein Heim müssen – dann bleibt meist kaum noch finanzieller Spielraum.“ Seniorenheime und Pflegemaßnahmen sind teuer und können sogar zu privaten Insolvenzverfahren führen. Wenn die finanzielle Existenz bedroht ist, hilft die AWO-Schuldnerberatung weiter. Zum Beispiel mit einer Haushaltsplanung, die Hilfen bei Einsparungen aufzeigt. „Auch, wenn absehbar ist, dass finanzielle Probleme auftauchen, können wir präventiv beraten“, erklärt Marcus Musiol. „Doch viele kommen aus Scham oder anderen Gründen leider erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist“, so der Experte. Das gelte übrigens für junge und ältere Menschen. |