Peines Bürgemeister Kessler zur Flüchtlingssituation
Peine. Der Strom der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, reißt nicht ab. Allein in der Stadt Peine sind es 370 Personen – noch. Nach der Aussage von Bundesinnenminister Thomas de Maizière, die Zahl der Asylbewerber werde sich auf bis zu 800.000 erhöhen, blicken die Kommunen mit Sorge in die nähere Zukunft. Insbesondere, weil die kalte Jahreszeit bevorsteht und provisorische Zwischenlösungen beispielsweise mit Zelten nicht mehr praktikabel sein werden. hallo Peine sprach mit Peines Bürgermeister Michael Kessler über die derzeitige Situation, Herausforderungen der näheren Zukunft sowie überregionale Lösungsansätze.
Das Positive vorweg: Noch kann die Stadt sämtliche hier lebenden Flüchtlinge in Immobilien unterbringen, auf die sie direkt oder indirekt zurückgreifen kann. „Das sind zum Teil Gebäude im Besitz der Stadt, zum Teil Wohnungen der Peiner Heimstätten, einer stätischen Tochtergesellschaft“, erklärt Kessler. Im Gegensatz zu privat angemieteten Wohnungen könne die Verwaltung flexibel reagieren, zum Beispiel um Familien gemeinsam unterzubringen.
Allerdings sieht der Bürgermeister mit Sorge in die kommenden Monate: „Wenn wir plötzlich noch einmal so viele Menschen versorgen müssen, stoßen wir an die Kapazitätsgrenzen.“
Deutlich kritisiert Kessler den Bund, der die Gemeinden mit dem Problem im Regen stehen lasse. „Seit Monaten erklären alle Kommunen, dass sie finanziell diese Aufgabe nicht bewältigen können, und der Bund präsentiert sich nur mit pflaumenweichen Absichtserklärungen“, so Kesslers scharfe Kritik.
Außerdem sieht er Mängel in der Organisation: „Da werden Gesundheitschecks gemacht, aber wir bekommen die Ergebnisse nicht“, nennt er ein Beispiel.
Bei Bund und EU gibt es reichlich „Luft nach oben“
Auch Informationen über eventuelle Rückführungen vermisst der Bürgermeister, besonders mit Blick auf die Kinder: „Sollen wir Kitas bauen für Kinder, die bald wieder in ihre Herkunftsländer geschickt werden?“ Bei Schulkindern stelle sich diese Frage nicht, da die Schulpflicht gesetzlich verankert ist, unabhängig von der Dauer des Aufenthalts.
Auch die EU sieht er in der Pflicht: „Es geht gar nicht, dass einige Länder sich bei der Aufnahme von Flüchtlingen komplett verweigern. Es gibt einen riesigen EU-Apparat, der jetzt kreativ werden muss.“
Immerhin: Auch wenn auf Bundes- und Europaebene vorsichtig ausgedrückt Verbesserungsbedarf bestehe, so gebe es vor Ort einige erfreuliche Entwicklungen: Bisher ist die Region von Anschlägen auf Asylbewerberheime und Krawallen ausländerfeindlicher Gruppen verschont geblieben. Im Gegenteil gebe es in Peine eine große Solidarität von Bürgern und Organisationen. Als Beispiele nennt er die evangelische Friedenskirche, die alle Flüchtlinge regelmäßig zum Kaffee einlädt und sogar eine Psychologin finanziert, die im Bedarfsfall die Menschen bei der Bewältigung traumatischer Erlebnisse unterstützt.
Auch die DRK-Kleiderkammer sei bei der Versorgung der Flüchtlinge eine große Hilfe. Hinzu kommen Initiativen von Privatleuten, etwa die Aktion „Familien für Familien“, bei der eine Peiner Familie je eine „Patenschaft“ für eine Flüchtlingsfamilie übernimmt.
Gern gesehen sind natürlich auch Angebote für ehrenamtliches Engagement, etwa mit Deutsch-Unterricht.
Bei aller Freude über die Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung appelliert Kessler: „Bitte stellen Sie nicht ungefragt Hilfsgüter vors Rathaus.“ Manche Artikel seien ausreichend vorhanden oder könnten aus anderen Gründen nicht gebraucht werden. Nicht abgesprochene Sachspenden würden nur personelle Kapazitäten binden, die an anderer Stelle sinnbringender eingesetzt werden könnten.
Die Stadt plant, demnächst eine zentrale Anlaufstelle für Bürger einzurichten, die den Flüchtlingen helfen möchten. Der entsprechende Kontakt wird dann schnellstmöglich in hallo Peine veröffentlicht.