Salzgitters zweiter Bürgermeister steht vor der Abwahl
Der MBS-Politiker Stefan Roßmann sitzt seit 2011 im Rat der Stadt Salzgitter, seit November ist er Zweiter Bürgermeister. Er hat einen Strafbefehl wegen der Anstiftung zum Betrug akzeptiert und steht nun vor der Abwahl. Foto: rk

Salzgitters zweiter Bürgermeister steht vor der Abwahl

Salzgitter. Der Zweite Bürgermeister der Stadt, Stefan Roßmann, steht vor der Abwahl. Grund ist ein Strafbefehl für die Anstiftung zum Versicherungsbetrug, den der MBS-Politiker akzeptiert hat, der für seine Ämter aber keine juristischen Konsequenzen hat. Die 60 Tagessätze zu je 40 Euro reichen dafür nicht aus. Stefan Roßmann will am Posten und den Mandaten im Rat festhalten, allerdings deutet alles darauf hin, dass ihn der Rat in der Sitzung am nächsten Mittwoch als Bürgermeister abwählen wird. Für die übrigen Fraktionen ist er als Repräsentant Salzgitters nicht mehr tragbar.

„Die MBS-Ratsfraktion steht 100-prozentig hinter mir“, sagt Stefan Roßmann in einem Gespräch am vergangenen Donnerstag mit hallo Salzgitter. Erst am Vorabend hatte er sich dazu entschlossen, weiter im Amt zu bleiben, obwohl er mit der mittlerweile veröffentlichten Akzeptanz des Strafbefehls als verurteilt gilt. Ob er tatsächlich einen Bekannten im Jahr 2014 dazu angestiftet haben soll, eine Reiserücktrittsversicherung um knapp 7.000 Euro zu betrügen, ist nach seinen Worten nie aufgeklärt worden. Er stand lediglich im Verdacht und machte eine Aussage bei der Staatsanwaltschaft.
Um eine öffentliche Verhandlung und die damit einhergehende Berichterstattung zu vermeiden, ergriff der im vergangenen November zum Zweiten Bürgermeister gewählte Stefan Rossmann nach rechtlicher Beratung die Chance, mit einem Strafbefehl die Sache „schnell und ohne Aufsehen“ zu erledigen – so wie es nach seiner Meinung der Rechtsstaat auch vorsieht. Er wollte seine Familie und sein Amt vor einer öffentilchen Debatte schützen.
Die mit dem Strafbefehl verbundenen Zahlung von 2.400 Euro erschien ihm angesichts möglicher Gerichts- und Anwaltskosten sogar als kostensparend. Ohne mündliche Verhandlung wird zwar die Schuld nie geklärt, aber die Akte bleibt verschlossen. Erst bei 90 Tagessätzen gilt der Verurteilte als vorbestraft, erst dann hätte Stefan Roßmann das Verfahren gegen ihn auch der Stadt gegenüber anzeigen müssen.
Dass er damit richtig lag, hat er nun schriftlich. „Der durch das Amtsgericht Salzgitter erlassene rechtskräftige Strafbefehl hat keine rechtlichen Auswirkungen auf Ihre öffentlichen Ehrenämter“, heißt es in einem Schreiben des Oberbürgermeisters. Die Voraussetzungen für einen Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechtes seien nicht gegeben. Bei der abgeurteilten Straftat handele es sich nicht um ein Verbrechen, sondern um ein Vergehen.
Er sei zwar verurteilt, aber kaum jemand kenne das vereinfachte Verfahren und seine Beweggründe, sagt Stefan Roßmann. Er fühle sich nicht schuldig und habe das Urteil dennoch akzeptiert. Würde er jetzt zurücktreten, dann käme das einem Eingeständnis gleich und würde denjenigen in die Karten spielen, die den Strafbefehl der Presse zuspielten und damit eine öffentliche Demontage lostraten.
Nur Staatsanwaltschaft, Gericht und sein Anwalt hätten Zugang zu den Akten gehabt, aus denen zum Teil zitiert werde, kritisiert Stefan Roßmann den Umgang mit seiner Person. Jemand habe sich die Unterlagen illegal beschafft, um ihm zu schaden. „Was ist mit dessen Schuld?“, fragt sich der MBS-Politiker. Diese Tat würde vermutlich schwerer geahndet werden als der gegen ihn verhängte Strafbefehl.

Stimmen aus den anderen Fraktionen

Die CDU-Fraktion hat zusammen mit der FDP und den Linken für die nächste Sitzung am Mittwoch, 22. Februar, um 16 Uhr einen Antrag auf Abwahl Stefan Roßmanns als Bürgermeister gestellt.
Die CDU reagiert „fassungslos“ auf die Ankündigung Roßmanns, im Amt bleiben zu wollen. „Das spricht ihm im Grunde die Eignung dafür ab“, sagt Fraktionsgeschäftsführer Andreas Küffner. Auch wenn die Faktenlage nicht bekannt sei, belege der rechtskräftige Strafbefehl die Straftat, die unvereinbar sei mit der Stellung und Verantwortung des Bürgermeisters. „Deshalb war völlig klar, dass wir die Abwahl beantragen werden“, fügt Andreas Küffner hinzu. Ihm ist ein Rätsel, dass Stefan Roßmann noch glaube, die Bürger Salzgitters vertreten zu können. Das Festhalten am Amt nennt er „völlig verantwortungslos“.
Die SPD-Fraktion wird dem Antrag vermutlich zustimmen, sollte es keinen freiwilligen Rücktritt geben, kündigt Sprecher Ulrich Leidecker an, der aber weiter auf eine Zusammenarbeit mit der MBS setzt. „Der Tenor bei uns ist aber eindeutig.“ Die Entrüstung sei groß, dass Stefan Roßmann an der Funktion festhalten wolle. Für Ulrich Leidecker entspricht der Strafbefehl einem Urteil, daran lässt er keinen Zweifel. Er nennt die undichte Stelle im Amtsgericht einen „Hammer“. Irgendjemand habe geplaudert und die Geschichte an die Öffentlichkeit gebracht. Auch für die Nachbesetzung sieht Ulrich Leidecker kein Probelm. „Das lässt sich lösen.“
FDP-Fraktionsvorsitzender Andreas Böhmken schätzt Stefan Roßmann als ideenreichen und einsatzfreudigen Politiker, doch die Verurteilung als Betrüger passe nicht zusammen mit der Position eines Bürgermeisters. „Das ist unabhängig zu sehen von der Person.“ Zu den Hintergründen will er sich nicht äußern. Allerdings würde er sich freuen, wenn Roßmann an seinen Ratsmandaten festhalte. Andreas Böhmken: „Er macht einen guten Job.“
Auch für die Fraktion Die Linke kann Stefan Roßmann wegen seiner Verurteilung kein würdiger Repräsentant der Stadt mehr sein. Das Ansehen des Rates würde beschädigt, halte er am Amt fest, so Sprecher Hermann Fleischer. Er würde auch einen Rücktritt als MBS-Fraktionsvorsitzender gutheißen. Die Linken wollen sich wie die FDP dafür einsetzen, dass die Stadt in dem Zuge auf ein drittes Bürgermeisteramt verzichtet.
Die Fraktion Bündnis90/Grüne wird den Abwahlantrag unterstützen, kündigt Sprecher Marcel Bürger an. Auch für ihn ist ein Strafbefehl unvereinbar mit einem ehrenamtlichen Bürgermeisteramt. Für weitere Beschlüsse sei es aber ratsam, erst einmal die Fakten abzuwarten.