Stolz, Freude und Musik begleiten Salzgitters Stadtempfang
Salzgitter-Bad. Die Stadt Salzgitter ist besonders, nicht nur wegen ihrer Entstehung und ihrer bewegenden Geschichte, sondern vor allem wegen der Menschen, die in ihr leben und etwas bewegen. Diesen herausragenden Einsatz zu würdigen, dazu richteten Oberbürgermeister Frank Klingebiel und der Rat nach mehr als 15 Jahren wieder ein Stadtempfang aus. Ehre, wem Ehre gebührt, lautete das Motto der Veranstaltung. Grundlage dafür war ein einstimmiger Ratsbeschluss vom 13. März, in dem insgesamt 14 Würdenträger benannt wurden.
Bei diesem Empfang geht es um Salzgitteraner, „die unsere Gesellschaft zusammenhalten“, gab der OB die Richtung vor für den Abend, an desssen Anfang die Vergabe dreier Ehrenbürgerwürden stand, der höchsten Auszeichnung. Deren Empfänger verkörperten nach seinen Worten die Menschen, die ohne Aufschrei und mit viel Herzblut etwas leisten für die Stadt.
Einer von ihnen ist Prof. Dr. Heinz-Jörg Fuhrmann, der seit 1997 im Vorstand der Salzgitter AG und seit 2011 dessen Vorsitzender ist. Für ihn fand Sigmar Gabriel als Laudator bewegende Worte. Der frühere Vizekanzler und Bundestagsabgeordnete outete sich als Vorsitzender des Fuhrmann-Fanclubs, der als gebürtiger Duisburger vermutlich „Stahl in den Genen“ habe. Er lobte dessen klare Wortwahl und das Geschick, mit dem Fuhrmann die Salzgitter AG durch mitunter stürmische Zeiten gelenkt und dabei stets für das Werk gekämpft habe. Sigmar Gabriel erinnerte an die Bedeutung der Hütte für die Menschen in Salzgitter und der Region. Furhmann setze sich aber nicht nur für die Stadt ein, sondern vertrete die Interessen der gesamten Branche mit klugen Argumenten. Er habe maßgeblich dazu beigetragen, dass Salzgitter als erfolgreicher Standort in Deutschland überleben konnte.
Der Ausgezeichnete freute sich über die Ehrung, auch wenn er hatte lange überlegen müssen, ob er ihr gerecht werde und sie annehmen könne. „Ich will sie als Würde empfinden, nicht als Bürde“, sagte der Vorstandschef, der sich bei allen bedankte, „die das möglich gemacht haben“.
Auch bei Ehrenbürgerin Hildegard Schooß war ihr Lebenswerk sicher kein Einzelwerk, doch wären ohne sie die bundesweit 540 Mehrgenerationshäuser heute undenkbar. An die Anfänge und die Mühsal, mit der sie sich vor fast 40 Jahren in einer Waschküche als Treffpunkt an die Arbeit machte, erinnerte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in seiner Laudatio. Er kann die Leistung der Salzgitteranerin gut einschätzen, seine Mutter war alleinerziehend mit zwei Jungs in den 70er Jahren.
Hubertus Heil lobte Hildegard Schooß für deren Entschlossenheit und Mut in der damaligen Zeit. Sie sei mit „liebenswürdiger Hartnäckigkeit“ vorgegangen, habe nicht abgewartet, sondern Probleme gelöst. Der Minister widmete sich auch den Problemen der Gegenwart und nannte Hildegard Schooß als Gegenpol in einer Gesellschaft, die auseinander driftet. Nach seinen Worten komme es nicht nur auf das Tun an, sondern auch auf den Ton. Da hat Hildegard Schooß wohl meistens den Richtigen getroffen.
Über den Ton ihrer Dankesrede hatte sie sich viele Gedanken gemacht, aber am Ende alle Entwürfe verworfen. „Ich bin sehr froh, hier stehen zu dürfen“, sagt sie nach dem Empfang der Urkunde. Die Ehrenbürgerschaft gehe ihr zu Herzen. Sie bedankte sich nicht nur besonders bei ihrer Familie und den Weggefährten für die Unterstützung, sondern auch bei allen anderen, „die mich ausgehalten haben“.
Ganz weit zurück reicht die Geschichte der neuen Ehrenbürgerin Erika Bolms, die aus Hinterpommern stammt und 1952 in Salzgitter in den damaligen Reichsbund eintrat – ohne zu wissen, was der eigentlich macht. Der frühere Finanzminister Peter Jürgen Schneider widmete sich als Laudator der sozialen und der demokratischen Seite im Leben der Sozialdemokratin, die viele Jahrzehnte im Ortsrat und im Rat saß. Er beschreibt ihr Wesen als „durchsetzungstark und sehr charmant“. Ohne das gehe es nicht. Erika Bolm habe sich immer für soziale Gerechtigkeit eingesetzt. Peter Jürgen Schneider: „Das ist ihr Kompass.“ Sie habe sich um die Menschen gekümmert und sich Zeit genommen, sei es bei den Sprechstunden jede Woche, bei Tagesfahrten oder Informationsabenden. Aber auch in anderen Bereichen übernahm sie Verantwortung, gehörte mit zu den Gründerinnen der Arbeitsgemeinschaft der Frauenverbände und war als ehrenamtliche Richterin tätig, so Peter Jürgen Schneider. „In Salzgitter für Salzgitter“ ist sie heute mit 82 Jahren noch aktiv für den Sozialverband.
Die Ehrung hätte sie sich nicht träumen lassen, sagte Erika Bolm. Der Anruf des Oberbürgermeisters im Frühjahr habe sie sehr erstaunt. „Ich war sprachlos. Ich mache doch nur eine kleine Arbeit für Menschen, die nie auf der Sonnenseite stehen.“ Sie berichtete von traurigen Beispielen aus ihrem Alltag und bekannte: „Die Not der Menschen hat mich immer angetrieben.“
So etwas gibt es nur in Salzgitter. Eine Stadt, die bei einem festlichen Empfang Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam ehrt, ist bundesweit einmalig. Dieses Urteil kommt von einem, der als ehemaliger Vizekanzler, Wirtschafts- und Außenminister viel herumgekommen ist: Sigmar Gabriel. „Das passt zu Salzgitter und seiner Geschichte.“
Die Träger der Stadtmedaille in Gold sind in verschiedenen Bereichen aktiv, doch alle einte die Überraschung über den Anruf des OB, der sie nach dem einstimmigen Beschluss im Rat fragte, ob sie die Ehrung annehmen. Sie bedankten sich beim Stadtempfang nicht nur für die Auszeichnung, sondern auch bei ihren Helfern und Begleitern..
So wie Wolfgang Pozzatto, Gründer und Vorsitzender der Kleinkunstbühne (KKB). Bürgermeister Stefan Klein lobte ihn als „Macher in der Kulturszene“, der sich mit seiner Dr.-Klaus-Schmidt-Stiftung auch für die Bildung einsetzt. Eine Stadtmedaille erhielt auch Rosemarie Streich, die sich seit mehr als 40 Jahren „aktiv, aber gewaltlos“ gegen das Atomendlager Schacht Konrad wehrt. Stefan Klein zeichnete sie als „furchtlose Dame“ für ihren „mutigen und vorbildlichen“ Widerstand aus. Für die Umwelt macht sich auch BUND-Vorsitzender Thomas Ohlendorf stark. Bürgermeister Marcel Bürger beschrieb das Wirken des Mannes, der seit nunmehr 31 Jahren die „richtige Adresse für alle Fragen zur Natur“ sei.
Es wurde sogar international. OB Frank Kingebiel ehrte Kevin Small, der sich als Ratsherr aus Swindon seit 20 Jahren um die Partnerschaft beider Städte kümmert. Dieser war so beeindruckt, dass er seine Danksagung frei nach J.-F. Kennedy abschloss: „Ich bin ein Salzgitteraner.“
Nur eine Preisträgerin konnte nicht dabei sein. Historikerin Elke Zacharias, ehemals Vorsitzende im Arbeitskreis Stadtgeschichte, war an dem Tag gestorben, als der Rat ihre Ehrung beschlossen hatte. „Das war für uns alle schockierend“, sagte OB Frank Klingebiel. Schwester Waltraud Nagler nahm die Stadtmedaille an und bedankte sich im Namen der Familie. „Die Blumen lege ich morgen auf ihr Grab.“
Der Festabend im Ratskeller, der vom Musikschulduo Schulz-Wickmann, Tenor Quintino Cruciano und Pianist Alex Parker begleitet wurde, schloss ab mit der Erhung der Unternehmer und Arbeitnehmer. Ratsvorsitzender Bernd Grabb würdigte die Lindhofer GmbH, die Firma Möhlenhoff und Wiese Maschinenbau. Die Unternehmen hätten sich in beeindruckender Weise für ihre Belegschaft eingesetzt und soziale Verantwortung übernommen. Herbert Lindhofer, Rudolf Wiese und Martina Möhlenhoff nahmen die Urkunden entgegen.
Danach würdigte der OB die verdienten Arbeitnehmer Holger Danke und Horst Ludewig aus. Beide hätten sich „unermüdlich für Arbeitnehmerinteressen stark gemacht und damit die soziale Gerechtigkeit in unserer Stadt bewahrt“. Die Ehrung von Andreas Blechner, früherer Betriebsratschef in Salzgitter, folgt später und in kleinem Rahmen. Frank Klingebiel: „Das holen wir bei einem Bier nach.“