Wolfsburg: Elf Kläger gegen die A 39
Wolfsburg. Das große Finale im Gezerre um die A 39 steht bevor: Am 25. und 26. Juni verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig elf Klagen gegen den geplanten Autobahnbau zwischen Wolfsburg und Ehra. Es sind elf Klagen, die entscheiden, ob der Autobahnabschnitt gebaut wird oder nicht – oder ob die Planungen noch einmal nachgebessert werden müssen.
14,2 Kilometer geplante Autobahn sorgen seit mehr als zehn Jahren für Unmut zwischen Wolfsburg und Ehra. Es handelt sich um den Abschnitt 7 des geplanten A 39-Lückenschlusses zwischen Wolfsburg und Lüneburg. 105 Kilometer lang soll die Autobahn insgesamt werden, und nach neuesten Schätzungen 1,3 Milliarden Euro kosten, die Kosten für den Abschnitt 7 liegen bei 170 Millionen Euro.
Kläger sind die Gemeinden Jembke und Tappenbeck, der niedersächsische Landesverband des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) stellvertretend für die Gifhorner Kreisgruppe und acht Einzelpersonen. „Die Kläger rügen Beeinträchtigungen ihrer Planungshoheit, ihres Grundeigentums, Betriebes oder Eigenjagdbezirkes, Fehler bei der Umweltverträglichkeitsprüfung und der Verlegung der L 289 und B 248, das Fehlen der Planrechtfertigung und Verstöße gegen Naturschutz- und Wasserrecht sowie das Abwägungsgebot. Insoweit richten sie sich auch gegen den Standort der Tank- und Rastanlage“, erklärt eine Sprecherin des Bundesverwaltungsgerichts. Beklagte ist die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr. Das Urteil gilt nur für den Abschnitt 7.
Tappenbeck träfe der Autobahnbau am härtesten. Bis zu 50 Meter soll die Trasse an einige Häuser heranrücken, inklusive Lärmschutzwand wäre sie mehr als zehn Meter hoch. Und das Sportzentrum würde von der Autobahn platt gemacht. 1,75 Millionen Euro will der Bund laut Bürgermeister Ronald Mittelstädt bislang dafür zahlen. Ein Neubau würde aber 4,8 Millionen kosten. „Wenn der Bund nicht zahlt, gibt es in Tappenbeck keinen Sport mehr“, sagt der Bürgermeister. Es gelte das Verursacherprinzip – wer einen Schaden verursacht, muss dafür auch aufkommen. Und zwar komplett.
Die zwischen Jembke und Tappenbeck geplante Tank- und Rastanlage brachte in beiden Orten die Stimmung zum Kippen. Unter anderem 175 Lastwagen- und 90 Pkw-Stellplätze sind dort auf einer Fläche von 18 Hektar geplant. „Warum baut man so eine Anlage genau zwischen zwei Orte?“, fragt Jembkes Bürgermeisterin Susanne Ziegenbein. Es gebe weitaus bessere Plätze, zum Beispiel in der Nähe des ehemaligen Truppenübungsplatzes bei Ehra-Lessien. Dort sei die Belastung durch Lärm, Schmutz und Licht geringer. Geklagt hat die Gemeinde auch, weil die Autobahn den Bokensdorfer Kirchweg durchschneiden soll, eine historisch gewachsene Verbindung in den Nachbarort. „Der Weg muss erhalten bleiben“, sagt Ziegenbein.
Im Gegensatz zu Jembke und Tappenbeck hat die Gemeinde Ehra-Lessien auf eine Klage verzichtet. „Wir haben keine Notwendigkeit gesehen“, sagt Bürgermeister Jörg Böse. Durch Gespräche im Vorfeld habe man erreicht, dass die Abfahrt weiter nach Norden verlegt und eine Umgehungsstraße gebaut wird. Dennoch blickt er gespannt auf das Verfahren in Leipzig. „Es bedeutet hoffentlich ein Ende der Ungewissheit“, sagt Böse.
Im Niedersächsischen Verkehrsministerium sieht man den Klagen relativ gelassen entgegen. „Ihnen geht eine sehr gründliche Planung der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr voraus“, sagt ein Sprecher. Gerade auch mit Blick auf die Umweltverträglichkeit. „Insofern hoffen wir, dass das Bundesverwaltungsgericht unsere Planung bestätigt.“ Sollte das geschehen, ist der erste Spatenstich noch für dieses Jahr vorgesehen.
Darauf hofft die IHK Lüneburg-Wolfsburg. „Die A 39 ist die Lebensader unserer Region“, sagt Volker Linde, Leiter der Standort- und Politikberatung, mit Blick auf die Attraktivität für Fachkräfte, höhere Wirtschaftskraft und damit auch höhere kommunale Einnahmen. Zudem sei sie notwendig, um den Anstieg beim Gütervekehr zu bewältigen. Eine Verlagerung auf Schiene und Wasserstraßen werde dafür nicht ausreichen.
Die Gemeinden Jembke und Tappenbeck haben sich intensiv auf den Prozess in Leipzig vorbereitet, Anwälte beauftragt und Gutachten erstellen lassen. Jeweils mehrere 10.000 Euro hat sie das schon gekostet. Ob das für einen Erfolg reicht? „Das wäre ein Blick in die Glaskugel“, sagt Susanne Ziegenbein. Ronald Mittelstädt ist skeptisch. „Ein 1400-Einwohner-Dorf wird die Autobahn nicht stoppen können“, sagt er. Tappenbeck werde wohl mit einigen Nachteilen leben müssen. Aber er hofft: Vielleicht sei im Verfahren nicht alles richtig gelaufen und es gebe nach dem Prozess wieder mehr Verhandlungsspielraum.
Klar ist: Gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts können keine Rechtsmittel eingelegt werden. Es ist rechtskräftig.