GIfhorner Straßennamen-Projekt: Auf die Plätze, fertig …
Auch die Zehntklässler der Bonhoeffer-Realschule unter Leitung von Fritz Otte (hinten) stellen am Mittwoch ihre Ergebnisse vor.

GIfhorner Straßennamen-Projekt: Auf die Plätze, fertig …

Gifhorn. Jetzt geht es in die heiße Phase: Monatelang haben Schüler des Otto-Hahn-Gymnasiums, des Humboldt-Gymnasiums und der Dietrich-Bonhoeffer-Realschule Gifhorner Straßennamen untersucht und die Namenspatronen auf eventuelle Verbindungen zum Nazi-Regime durchleuchtet. Am kommenden Mittwoch, 18. März, präsentieren die Schüler der drei Schulen ihre Ergebnisse dem Stadtrat und interessierten Bürgern um 17 Uhr im Ratssaal im Gifhorner Rathaus.
Mehrere Minuten sprechen und die Ergebnisse vor Bürgermeister und Co. vortragen – für die Zehntklässler der Bonhoeffer-Realschule ist das gar nicht so leicht. „Tragt mal bitte eure Ergebnisse vor und ich stoppe die Zeit, damit wir abschätzen können, wie viele Minuten wir zusammenbekommen“, schlägt Lehrer Fritz Otte vor. Leichte Unsicherheit macht sich breit, dann nehmen sich die Jungs (in der Projektgruppe sind keine Mädchen) ein Herz.
Die Bonhoeffer-Gruppe, bei denen das Straßennamen-Projekt Teil eines Wahlpflichtkurses Geschichte ist, hatte die personenbezogenen Straßennamen, die mit den Buchstaben R bis Z beginnen, zu bearbeiten. „Wir haben die Namen in Gruppen aufgeteilt, sodass jeder sozusagen ,seinen‘ Namen zu untersuchen hatte“, berichtet Matthias Koslikow. Unter anderem mit Internetrecherche, Besuchen im Stadtarchiv sowie mit Hilfe von Chroniken gingen sie auf Spurensuche. Namen, die allein aufgrund ihrer Biografie ausfallen, beispielsweise „Schiller“, haben die Schüler sofort aussortiert.
Nach einigen Wochen der Recherche kristallisierten sich drei Straßen heraus, die eine nähere Betrachtung wert waren.

Robert Bosch und
zwei Wilhelms
Eine davon ist die Robert-Bosch-Straße – in Zeiten von Wikipedia und anderen Informationsquellen im Internet gestaltete sich die Spurensuche nicht sonderlich schwierig. Ähnlich wie bei Daimler oder Porsche (die von den Gymnasien untersucht wurden) ist eine endgültige Bewertung aber schwierig. Zweifelsohne hatte der Industrielle Robert Bosch unter anderem in Form von Zwangsarbeit vom Nazi-Regime profitiert, allerdings ist dies für die Schüler kein schlagender Beweis, dass Bosch die Ideologie der Nationalsozialisten teilte. Klar ist hingegen das Testament des 1942 verstorbenen Bosch: Er hatte verfügt, dass seine Fabrikate nicht für den Krieg eingesetzt werden durften. Grund genug für die Bonhoeffer-Schüler, von einer Umbenennung der Straße abzuraten.
Wie auch die anderen Projektgruppen feststellten, ist die Recherche weit schwieriger, wenn es sich bei den Namenspatronen um Gifhorner Lokalpolitiker handelt. Besonders dann, wenn sie „Allerweltsnamen“ wie „Wilhelm Fricke“ tragen, unter denen Wikipedia gleich Dutzende von Beiträgen liefert.
Fricke, 1870 in Ettenbüttel geboren, war ab 1910 Lehrer und wurde von 1915 bis 1918 in den Ersten Weltkrieg eingezogen. Im Jahr der Machtergreifung 1933 wurde er als Lehrer in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Zwischenzeitlich übernahm er zahlreiche regionale Aufgaben, war Mitgründer der Spar- und Darlehenskasse Gamsen sowie Vorsitzender des MTV Gamsen.
Belastend für ihn ist, dass er 1940 zum NSDAP-Ortgruppenleiter ernennt wurde. Allerdings besagt die Gamsener Dorfchronik, dass sich Fricke bemühte, diesen Dienst nicht aufzunehmen. Auch wenn die Aussagen einer Chronik, die maßgeblich von Dorfbewohnern zusammengestellt wurde, nicht zwangsläufig belastbar sind, kommt Raoul Bychowski zu dem Schluss: Um Wilhelm Fricke als aktiven und überzeugten Nationalsozialisten zu bezeichnen, reichen die Untersuchungsergebnisse nicht aus.
Ähnlich sehen sie dies bei dem zweiten Wilhelm, nämlich Wilhelm Thomas, der im Jahr 1946 Gifhorner Landrat, von 1956 bis 1961 Bürgermeister und in dieser Zeit auch Polizeichef war. Auch er war NSDAP-Mitglied, dies aber erst ab dem Jahr 1937, also vier Jahre nach Hitlers Machtergreifung. Die Bonhoeffer-Schüler vermuten, dass Thomas unter Zugzwang geriet und offiziell mitlaufen musste, um nicht an politischem Einfluss zu verlieren – oder Schlimmeres.
Niels Paul Haagen weiß: „Im Jahr 1933 lag die Wahlbeteiligung in Gifhorn bei 90 Prozent, die NSDAP erhielt 78 Prozent der Stimmen.“ In dieser politischen Lage sei es durchaus möglich, dass Thomas keine andere Wahl blieb.

Im Zweifel für
den Namenspatronen
Fazit: Die „Straßennamen-Detektive“ sind auf einige Namen gestoßen, die Verbindungen mit dem Nationalsozialismus hatten, halten sich bei allen drei Beispielen aber zurück, eine Umbenennung der jeweiligen Straßen zu empfehlen. Einen Überblick über die Gesamtergebnisse des seit Oktober laufenden Schulprojekts gibt es am kommenden Mittwoch um 17 Uhr im Gifhorner Ratssaal.