Finale: Abschluss des Gifhorner Schulprojekts „bringt einiges ins Rollen“
Von Klaus Kühlmeyer
Gifhorn. Das Gifhorner Straßennamen-Projekt ist nicht das einzige in Deutschland. Doch Bürgermeister Matthias Nerlich wusste zur Begrüßung der Abschlussveranstaltung am Mittwoch zu berichten: „Ich habe bei Google gesucht, und die Dietrich-Bonhoeffer-Realschule, das Humboldt-Gymnasium und das Otto-Hahn-Gymnasium waren die ersten Treffer. Da habt ihr es schon mal auf Platz eins geschafft.“ Aus diesen drei Gifhorner Schulen hatten 43 Schüler personenbezogene Straßennamen unter die Lupe genommen und stellten nun die Ergebnisse vor.
Nachdem Straßen ohne Personenbezug und von historischen Personen, die weit vor 1933 lebten, ausssortiert worden waren, blieben 37 Namen übrig, von denen 20 im Hinblick auf eine eventuelle Nazi-Vergagenheit genauer unter die Lupe genommen wurden. Einige davon hat hallo Gifhorn in den vergangenen Teilen dieser Serie beleuchtet. Besonders interessant sind hier die Personen, die eine direkte Verbindung zu Gifhorn haben – nicht nur wegen des Lokalbezugs, sondern auch, weil bei diesen vieles im Dunklen liegt: Beispielsweise über ehemalige Ortsbürgermeister ist in Internet & Co. weit weniger zu finden als über Robert Bosch oder Carl Miele.
Bei den historischen Gifhornern ergab sich eine Verbindung zu Nazi-Deutschland meistens gewissermaßen zwangläufig, einfach weil die Menschen in dieser Zeit lebten.
Als Beispiel führten Schüler des Otto-Hahn-Gymnasiums Dr. Otto Armbrecht ins Feld, der im Zweiten Weltkrieg Kavallerieführer in Frankreich war. Auf den ersten Blick eine „heiße Spur“. Doch wie die Gymnasiasten herausfanden, bestand die Hauptbetätigung des Tierarztes darin, Pferden und anderen Tieren der Menschen im Besatzungsgebiet zu helfen. Beileibe kein Grund also, Dr. Otto Armbrecht die Ehre der Straßenbenennung zu entziehen. Besonderen Dank richteten die Schüler an dessen Sohn Jürgen Armbrecht, der sie bei der Recherche als Zeitzeuge unterstützt hatte.
Eine Straße, bei der die Schüler eine Umbenennung in Betracht ziehen, ist die Gerhard-Fieseler-Straße: Der Besitzer einer Flugzeugfirma wurde von der NSDAP teilfinanziert und mit Zwangsarbeitern versorgt. Auch wenn Fieseler nach dem Zweiten Weltkrieg beteuerte, nie Nazi gewesen zu sein und nur gezwungen worden sei, sprechen enge Kontakte zur „Reichs-Elite“ gegen ihn, ebenso wie die Tatsache, dass seine Flugzeuge im Krieg eingesetzt wurden.
Auch Hindenburg und Carl Diem stehen auf der Prüfliste, mit der sich Rat und Verwaltung auseinandersetzen müssen. Prof. Gerd Biegel vom Institut für Regionalgeschichte, der das Projekt begleitete, konstatierte: „Der Anstoß, der durch die jungen Leute gegeben wurde, bringt einiges ins Rollen.“