Konfliktfeld: Sterbehilfe ist auch in Gifhorn ein heikles Thema
Heikel war das Thema schon immer. Angesichts der Rolle Deutschlands zwischen 1933 und 1945 ist das Konfliktfeld „Sterbehilfe“ ein ganz besonderes. Derzeit kochen die Emotionen wieder hoch. Während die eine Seite auf dem Recht zur Selbstbestimmung auch mit Blick auf den eigenen Tod beharrt, sehen andere dies geradezu als Mord. Der Bundestag will die Sterbehilfe gesetzlich neu regeln. Für Gesprächsstoff ist also gesorgt.
Da sind Abgeordnete, die Todkranken zugestehen möchten, um Sterbehilfe zu bitten. Dann entschließt sich ein früherer TV-Intendant dazu, Selbstmord zu begehen, da er keine Kraft mehr habe, das Leben im Rollstuhl zu meistern. Und es folgen die Schlagzeilen über eine Frau in den USA, die sterbenskrank ist und im Internet bekannt macht, sie wolle am 1. November aus dem Leben scheiden. Schließlich nimmt sich noch Deutschlands beliebtester Fernsehjournalist Günther Jauch des Themas an. In seiner Sonntagssendung lässt er zur Sterbehilfe in Deutschland diskutieren. All dies facht die öffentliche Diskussion an.
Aber wie ist eigentlich die Rechtslage? Die aktive Form von Sterbehilfe wird in Deutschland bestraft. Fünf Jahre Haft erwarten laut Nachrichtenmagazin Focus denjenigen, der einen anderen auf dessen Wunsch hin vom Leben zum Tode befördert.
Anders sieht es bei der passiven Sterbehilfe aus. Gemeint ist damit etwa ein Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen. Dieser ist zulässig, wenn der Patientenwille so ist. Auch die Gabe starker Schmerzmittel, die durch ihre Wirkung das Leben verkürzen können, ist nicht verboten.
Der Gesetzgeber hat ebenso nicht unter Strafe gestellt, ein Mittel zur Selbsttötung bereitzustellen, das der Betroffene selbst einnimmt. Das Berufsrecht der Ärzteschaft verbietet laut Focus aber die Hilfe zur Selbsttötung, je nach Ärztekammer kann sie zum Verlust der Approbation führen.
Der Selbstmord in völliger eigener Verantwortung ist in Deutschland nicht strafbewehrt. Dass machte ja auch keinen Sinn. Und dennoch: Seit Organisationen wie „Exit“ oder „Dignitas“ Hilfe zur Selbsttötung anbieten, ist der Gesetzgeber gefordert, eine Lösung für das Problem zu erarbeiten. Das war bislang nicht von Erfolg gekrönt. Der Bundestag hat sich darum vorgenommen, sich im nächsten Jahr erneut um eine gesetzliche Regelung der Sterbehilfe zu kümmern. Spätestens dann werden die Diskussionen wieder aufflammen.
„Ganz häufig steht hinter dem Wunsch nach Sterbehilfe einfach Unkenntnis“
Mit dem Thema Leben und Sterben hat Bettina Tews-Harms ganz direkt zu tun. Sie ist nicht nur die 1. Vorsitzende des Gifhorner Palliativ- und Hospiz-Netzes, sondern auch Chefin eines Pflegedienstes. Die momentane Debatte um Sterbehilfe hält sie nicht für überflüssig: „Die Diskussion ist wichtig, weil sie zeigt, welche Ängste es gibt.“ Schwerkranke beschäftigen sich nach ihrer Erfahrung mit der Sterbehilfe, weil bestimmte Fragen für sie ungeklärt seien: Wie falle ich niemandem zur Last? Wie bewahre ich mir meine Würde? Und wie können meine Schmerzen gelindert werden? Dafür aber gebe es Antworten, ist Bettina Tews-Harms überzeugt: „Der allergrößte Teil der Kranken könnte besser behandelt werden, wenn die positiven Aspekte der Palliativmedizin bekannter wären.“ In Deutschland sei man nämlich mit der Palliativpflege sehr weit gekommen. Persönlich hat sie bereits erlebt, dass Menschen, die sie um Hilfe beim Sterben bitten, davon wieder Abstand nehmen, wenn sie besser informiert sind: „Ganz häufig steht hinter dem Wunsch nach Sterbehilfe einfach Unkenntnis.“ Sie könne nur dazu auffordern, sich früh mit dem Thema zu befassen, und dazu sei Öffentlichkeit wichtig. Die Netz-Vorsitzende kann sich vorstellen, dass in sehr seltenen Einzelfällen dennoch der Patientenwunsch nach Sterbehilfe bestehen bleibt. Aber fest steht für sie auch: „In 99,9 Prozent der Fälle ist nur verstärkte Information wichtig.“ |
Christoph Fricke