Seit zehn Jahren in Gifhorn: Kinderfonds „Kleine Kinder immer satt“
Von Barbara Bärbock
Gifhorn. „Kinder erleben nichts so scharf und bitter wie Ungerechtigkeit.“ Was vor fast 200 Jahren der englische Schriftsteller Charles Dickens aus eigenem Erleben so treffend formulierte, ist bis heute ein brisantes Kapitel – vor allem in sozialer Hinsicht. Denn: Auch in der deutschen Wohlstandsgesellschaft klafft die Schere der Ungerechtigkeit zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Kinder leiden darunter besonders. Und die Realität spricht eine deutliche Sprache: Kinder sind und bleiben für Familien ein Armutsrisiko – nicht nur in Großstädten und Ballungszentren, sondern auch in einer Stadt wie Gifhorn.
Deshalb wurde vor zehn Jahren der Gifhorner Kinderfonds „Kleine Kinder immer satt“ als Wohltätigkeitsinitiative der Stadt Gifhorn aus der Taufe gehoben. An seiner Spitze steht mit Dr. Klaus Meister, Holger Ploog und Annette Hoffmann ein dreiköpfiges Dreamteam, das sich um alles Organisatorische kümmert und zu hundert Prozent ehrenamtlich mit ganzer Kraft und jeder Menge Herzblut für Chancengleichheit aller Kinder in Gifhorn einsetzt. Seit 2008 haben die drei Lobbyisten, die selbst Eltern und zum Teil schon Großeltern sind, für die Gifhorner Kinder Beachtliches erreicht.
Am Anfang stand ein Hilferuf
„2008 wandten sich die Leiterinnen einiger Gifhorner Kindertagesstätten mit einem Hilferuf an den von mir geleiteten Fachbereich der Stadt Gifhorn, der auch für soziale Fragen zuständig ist. Immer mehr Kinder kamen seit der Bildung von Ganztagsgruppen hungrig in die Kitas. Ihre Eltern hatten sie aus Kostengründen oft nicht zum Mittagessen angemeldet. Wenn das Familieneinkommen knapp über der Bemessungsgrenze für staatliche Unterstützung liegt, ist es für sie sehr schwer, täglich 3,50 Euro für ein Mittagessen in der Kita aufzubringen. So musste ich mit eigenen Augen bei Besuchen vor Ort miterleben, wie sich hungrige Kinder auf die Essensreste ihrer Spielkameraden stürzten“, erinnert sich Dr. Klaus Meister an jene erschütternden Momente.
Rasch war klar: Aufgrund der Rechtssituation konnte hier nur eine gemeinsame Spendenaktion von DRK, evangelischer und katholischer Kirche und der Stadt Gifhorn für 2009 schnelle und einheitliche Abhilfe schaffen. Eine umfassende Analyse der Situation in den Kindertagesstätten zeigte allerdings: Ohne den Kinderfonds, der zunächst nur als vorübergehende Maßnahme gedacht war, würde es auch in Zukunft nicht gehen. Also wurde er zu einer festen Instanz. Bürgermeister Matthias Nerlich übernahm die Schirmherrschaft.
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein
Einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg des Gifhorner Kinderfonds leistete von Anfang an die Volkswagen AG – zum einen mit jährlichen Belegschaftsspenden des Werkes Wolfsburg, zum anderen durch personelle Unterstützung dank der Initiative ‚Pro Ehrenamt‘. Über diesen Weg kam 2010 Diplomingenieur Holger Ploog, pensionierter VW-Manager mit vielen Jahren Auslands- und Lebenserfahrung, zum Gifhorner Kinderfonds. „Der 70-Jährige Unruheständler ist der beste Koordinator, den wir uns für den Gifhorner Kinderfonds ‚Kleine Kinder immer satt!‘ nur wünschen konnten. Dank seines außergewöhnlichen Engagements haben wir es trotz stetig wachsender Anzahl von bedürftigen Kindern geschafft, dass in den Gifhorner Kitas kein Kind mehr aus finanziellen Gründen vom Mittagessen ausgeschlossen wird. Das Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung brachte für die Finanzierung des Mittagessens 2011 zudem spürbare Entlastung, so dass der Fonds aktuell in 13 Kernprojekten seinen Kampf gegen Kinderarmut nicht nur in puncto Ernährung führt, sondern auch Bildung, Bewegung und soziale Teilhabe zu seinen Aktionsfeldern erklärt hat. Der Mensch lebt schließlich nicht vom Brot allein“, erklärt Dr. Klaus Meister.
Holger Ploog erläutert: „Neben einem gesicherten Mittagessen und einer regelmäßigen Obstversorgung tragen nachhaltige Maßnahmen wie zum Beispiel Schwimmkurse, ‚Kinder zwischen Büchern‘, ‚Wir machen die Musik‘, Kurse zur Selbstbewusstseinsstärkung, Begegnungen mit Kultur, Schulstarterpakete und Hausaufgabenbetreuung, Sport- und Tanzprojekte, Gewaltprävention und Selbstverteidigung sowie die verlässliche Nachmittagsbetreuung an zwei sozialen Einrichtungen heute immer besser dazu bei, Chancengleichheit unter allen Kindern für einen guten Start ins Leben zu erreichen.“
Ehrenamtlich und nachhaltig
„Der Kinderfonds ,Kleine Kinder immer satt’ kommt circa 2150 Schülern an sieben Gifhorner Schulen sowie rund 1460 Kindern in den 22 Kitas der Stadt zugute“, weiß Annette Hoffmann. Die 51-jährige Verwaltungsfachangestellte aus dem Fachbereich Kultur hat 2012 die finanzielle Abwicklung für den Gifhorner Kinderfonds übernommen, der jährlich rund 100.000 Euro Spendengelder für den guten Zweck generiert. Die fließen gezielt in Projekte, die sich durch Nachhaltigkeit auszeichnen. Was Dr. Klaus Meister, Holger Ploog und Annette Hoffmann am meisten freut: „Bei uns geht kein einziger Cent für Administration oder Verwaltung weg. Jeder Euro kommt hundertprozentig denen zugute, für die er bestimmt ist: den Kindern der Stadt Gifhorn! Ein gut funktionierendes Netzwerk in unserer Stadt und Region sorgt dafür, dass sich Einzelförderung wie zum Beispiel durch „Helfen vor Ort e.V.“ und unsere nachhaltige Projektförderung sinnvoll und bestmöglich ergänzen. Dafür bauen wir auch weiterhin auf die bewährte Unterstützung durch Spendengelder von Firmen und Privatpersonen. Zehn Jahre Gifhorner Kinderfonds ‚Kleine Kinder immer satt!‘ sind deshalb ein herzliches Dankeschön an alle Helferinnen und Helfer wert.“
Weitere Infos gibt es unter www.gifhorner-kinderfonds.de