Depression bei Männern: Peiner Selbsthilfegruppe hilft
Peine. „Man merkt, dass sich vieles in einem aufstaut. Veränderungen an der eigenen Person werden wahrgenommen, man weiß aber nicht, was es ist“, erzählt Detlef Klann über den Beginn seiner Depression. Er leidet unter Angstzuständen, Panikattacken, Unwohlsein und einer Enge in der Brust. Die Ärzte sind am Rätseln. Nach mehreren Krankenhausaufenthalten, bei denen keine organischen Ursachen festgestellt werden, kommt 2006 in entspannter Phase ein Zusammenbruch. Erst danach bekommt der Peiner die Diagnose: Depression. „Ich wollte das nicht wahrhaben“, sagt Klann. Das sei bei vielen Männern so. Die Ärzte müssen zunächst Überzeugungsarbeit leisten. Sechs Wochen Reha folgen.
Heute geht der Mann im mittleren Alter offen mit seiner Erkrankung um. Es sei wichtig, über seine Gefühle sprechen zu können. Männer halten sie lieber hinter dem Berg, während Frauen sich mit Freundinnen darüber austauschen. Dass Gruppengespräche mit dazu beitragen können, eine Depression zu bewältigen, brachte ihn dazu, 2013 eine Selbsthilfegruppe „Männerdepression“ in Peine mit der Hilfe der Kontaktstelle KISS zu gründen. Auch Ärzte rieten ihm zu diesem Schritt. Als Drei-Mann-Team beginnend, weitete sich die Selbsthilfegruppe auf 15 Teilnehmer aus. Jeden dritten Donnerstag im Monat treffen sich die Männer von 19 bis 21 Uhr. Anwesend sind durchschnittlich sechs bis acht von ihnen, um sich ohne Therapeuten, aber in vertrauensvoller Atmosphäre offen über Probleme und Erfahrungen auszutauschen. „In der Gruppe fällt es Männern leichter, über ihre Gefühle zu reden“, weiß Klann. „Sie treffen auf Gleichgesinnte. Sie brauchen sich nicht für ihre Depression entschuldigen. Und sie müssen sich nicht erklären.“ Über sich und seine Gefühle zu reden, sei in diesem Rahmen nicht verpönt.
Die regelmäßigen Treffen geben etwas Struktur und fördern die sozialen Kontakte, die bei einer Depression häufig abgebrochen werden. Nach einer Blitzlichtrunde, die den Teilnehmern die Möglichkeit gibt, ihre aktuellen Gefühle mitzuteilen, schließt sich eine Gesprächsrunde an. „Wir erteilen keine Ratschläge“, betont der Gruppenleiter, „sondern wir erzählen darüber, was uns selbst in bestimmten Situationen geholfen hat“.
Viele Selbsthilfegruppen-Mitglieder hätten Reha-Erfahrung. „Es ist ein langer und schwerer Weg zurück“, sagt er. Männer sollten sich auf jeden Fall trauen, Hilfe zu suchen, wenn eine Veränderung an ihnen erkannt wird. Oft sind es die Ehefrauen, die diese bemerken und ihre Ehemänner darauf ansprechen. Gutgemeinte Ratschläge können jedoch ins Gegenteil umschlagen. Um so wichtiger ist es, dass sie ihren Männern beistehen und eine professionelle Therapie erfolgt. Danach empfiehlt er Ergotherapie, um die Selbstwahrnehmung des eigenen Körpers zu verbessern sowie Entspannungsübungen wie Qi-Gong, Thai-Chi oder Lachyoga.
Depression ist die zweithäufigste Erkrankung in Deutschland. Mögliche Gründe können Überforderung in der Beziehung oder im Berufsleben sein, auch Erziehungsfehler oder genetische Ursachen sind wahrscheinlich – die Forschungen dazu laufen noch. Betroffene sind antriebslos und müssen sich überwinden, die Dinge des täglichen Lebens zu erledigen. Noch immer wird die Erkrankung stiefmütterlich behandelt. „Vieles wird auf die Hausärzte abgeschoben“, moniert Detlef Klann. Hausärzte seien jedoch keine Spezialisten für Depressionen. Auf Therapietermine bei Fachärzten müssten Betroffene häufig bis zu eineinhalb Jahre warten. Dabei würden zu wenig Therapien genehmigt, sagt der Gruppenleiter. Jedoch habe sich das Angebot erster Anlaufstellen in den letzten Jahren deutlich erhöht.
❱❱ Wer an den Treffen teilnehmen möchte, kann sich unter der Telefonnummer 01522/2134610 an Detlef Klann wenden. Auf Wunsch ist ein vorheriges Kennenlern-Treffen möglich.