Gedenkstunde auf leerem Appellplatz in Salzgitter
Gedenken in Drütte: Betriebsratsvorsitzender Hasan Cakir erinnert an die Befreiung Salzgitters vom deutschen Faschismus. Foto: Privat

Gedenkstunde auf leerem Appellplatz in Salzgitter

Salzgitter​. Das gab es in den vergangenen 35 Jahren noch nicht. Seit 1985 organisiert der Betriebsrat der Salzgitter Flachstahl GmbH gemeinsam mit dem Arbeitskreis Stadtgeschichte ein Gedenken zur Erinnerung an die Befreiung der Stadt Salzgitter vom deutschen Faschismus am 11. April 1945. In diesem Jahr blieb der Appellplatz des ehemaligen Konzentrationslagers Drütte aber leer. Nur Betriebsratsvorsitzender Hasan Cakir stand mit einem Blumengesteck am 11. April vor der Erinnerungstafel.

Seit Anfang des Jahres liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Mit dem Arbeitskreis Stadtgeschichte war das Schwerpunktthema für die Auszubildenden festgelegt. Sie beschäftigten sich in einem einwöchigen Seminar Anfang März mit dem Luftangriff auf den Räumungstransport aus Salzgitter am Güterbahnhof Celle.

„Ausgerechnet zur 75. Wiederkehr der Befreiung der Stadt Salzgitter ist der Platz verweist“, so Hasan Cakir. Dies schmerzt ihn besonders, da er seit mehr als zehn Jahren großen Wert darauflegt, dass die Auszubildenden einen Teil der Gedenkstunde mitgestalten. Damit übernehmen sie eine gesellschaftliche Verantwortung. Die Erinnerung ist laut Hasan Cakir wichtig, damit ein derartiges Verbrechen nie wieder geschieht.

Der Fliegerangriff im Güterbahnhof Celle war eine Tragödie. Für die Bomberstaffeln der Alliierten war nicht ersichtlich, dass sich Häftlinge im Deportationszug auf dem Weg ins KZ Bergen-Belsen befanden. Die Waggons wurden zum Teil getroffen, die fliehenden Häftlinge wurden von der SS verfolgt, einige konnten sich in der Umgebung verstecken.

Die Unmenschlichkeit des damaligen Systems wird darin deutlich, dass mindestens 170 Menschen im Massaker von Celle durch SS und Bürger zusammengetrieben und ermordet wurden. Hasan Cakir wollte in seiner Eröffnungsrede herausstellen, dass sich junge Menschen für ein friedvolles Zusammenleben einsetzen. Er bedauert, dass es auf dem ehemaligen Appellplatz kein gemeinsames Erinnern und Niederlegen von Trauerkränzen geben konnte.

Der Arbeitskreis Stadtgeschichte hat nun ein virtuelles Gedenken organisiert. Bis zum 8. Mai werden zweimal wöchentlich Ereignisse und Schicksale von ehemaligen KZ-Häftlingen auf der Internetseite der Gedenkstätte vorgestellt. „In diesem Jahr wäre eine Spende für den Arbeitskreis Stadtgeschichte ein schönes Zeichen“, so Hasan Cakir.

Todeszug und Todesmarsch

Im Oktober 1942 errichteten die SS und die Reichswerke „Hermann Göring“ das Konzentrationslager Drütte, eines der ersten Außenlager des KZ Neuengamme. Die Unterbringung der etwa 3000 Häftlinge erfolgte auf dem Werksgelände in vier Blocks unter einer Hochstraße. Verwaltungsräume gehörten ebenfalls zum Lager. Die Häftlinge wurden in der Rüstungsproduktion zur Arbeit gezwungen.

Am 7. April 1945 mussten die Häftlinge aus Drütte gemeinsam mit den Frauen aus dem KZ Salzgitter-Bad und einem Transport aus dem KZ Holzen einen Zug besteigen. Am nächsten Tag wurde er von einem Luftangriff der Alliierten auf dem Güterbahnhof in Celle getroffen. Viele Häftlinge kamen dabei ums Leben. Diejenigen, die sich zunächst in die Umgebung retten konnten, wurden von der SS und zivilen Celler Bürgern zusammengetrieben, teilweise auch wahllos erschossen.

Die Marschfähigen traten einen „Todesmarsch“ in das KZ Bergen-Belsen an. Die zurückgebliebenen Häftlinge ließ man im Marstall in Celle unversorgt zurück, wo die Überlebenden am 12. April 1945 befreit wurden.