Heinz Wiemann aus Salzgitter-Bad: Meine Güte, sind wir reich

SZ-Bad. Eine wahre Weihnachtsgeschichte von Heinz Wiemann aus Salzgitter- Bad: Im Dezember 1948 lagen viele Städte durch den Krieg in Schutt und Asche. So auch Dortmund, in der wir, eine vierköpfige Familie, diese Zeit voller Entbehrungen, Kälte und Hunger durchlebten.

Doch dann kam die große Reichtumswelle: „Eloxal“ , die Erfindung des heutigen Modeschmucks. Mein Vater, den wir diese Reichtumsgeschichte zu verdanken haben, hatte schon ein Fahrrad, mit dem er mit allem handelte was per Rad zu transportieren war. Doch durch den Eloxal-Schmuck ging ein Ruck und Aufleuchten durch die Stadt.
Eloxal war der erste Luxusartikel außer den Care-Paketen der Amerikaner. Alle wollten plötzlich „reich“ aussehen. Mein Vater fuhr natürlich sofort damit auf Tour. „Ich hätte noch viel mehr verkaufen können“, rief er voller Begeisterung.
„Und wie viel hast Du eingenommen?“, fragte meine Mutter. „Wieder mal das gleiche, fast alle kauften auf Pump“, meinte er kleinlaut. „Wenn Du so viele Abnehmer hast, warum verkaufst Du nicht nur an Barzahler?“, fragte meine Mutter.
Mein Vater legte die Fahrradspangen um die Hose und radelte los. Das war ein Tag vor Heiligabend, und er kam mit vollen Koffern mit seiner Ware zurück, mehr als er mitgenommen hatte.
Was war geschehen? Wir waren sehr traurig und enttäuscht. „Also“, berichtete mein Vater, „ich schellte zuerst da, wo ich das meiste Geld zu bekommen hatte. Die Tür ging auf, laute Musik, grelles Licht, die Familie und eine Menge Besucher starrten mich an. Ich war wohl in eine Feier reingeplatzt. Meine sorgfältig zurechtgelegten Worte waren weg! Alles was nicht bezahlt ist,
auf diesen Tisch. Zu mehr war ich nicht fähig. Erstarrte Stimmung, ein Geldeintreiber? Meine Kunden wussten bescheid, aber die Besucher? Sie standen wohl auch in der Kreide, schließlich legten auch sie ab und der Eloxal-Berg wuchs kräftig, nicht nur Schmuck, auch Kleidung, Lippenstifte und Schuhe waren dabei. Was sollte ich machen? Ich packte alles ein.

So war das vor 70 Jahren. Doch Not macht erfinderisch: Es entstand der für uns schönste Weihnachtsbaum den wir je hatten: Voll mit Eloxal-Schmuck das sich die Zweige bogen! Ich konnte es mir nicht verkneifen: Gold, Gold, so viel wie bei einem Scheich – meine Güte, sind wir reich.