Podiumsdiskussion in Salzgitter: Zu Konrad nichts Neues
Lebenstedt. Da halfen auch keine Trecker, keine Trillerpfeifen, keine Transparente und keine Trommeln: Die Bundesregierung hält am Endlager Schacht Konrad fest. Solange es die technischen Anforderungen aus der 2002 erteilten Genehmigung erfüllt, kommen dort 303.000 Kubikmeter radioaktiver Atommüll mit schwacher und mittlerer Strahlung für immer unter die Erde. Und auch eine spätere Erweiterung um weitere 300.000 Kubikmeter Atommmüll ist nicht ausgeschlossen, dafür müsste aber ein neues Planfeststellungverfahren her. Das hat Staatssekretär Jochen Flasbarth aus dem Umweltministerium in Berlin bei einer Podiusmdiskussion in der Aula am Fredenberg deutlich gemacht. Dort stellte er auf Einladung der Stadt Salzgitter gemeinsam mit Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel und Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, die Situation für Konrad vor. Vor dem Eingang ließen Mitglieder der IG Metall, des Landvolkes und der AG Schacht Konrad mit lautstarken Protesten an ihrer Sicht der Dinge keinen Zweifel. Sie wollen, dass der Bund den Ausbau in Salzgitter stoppt und den Schacht unter heutigen technischen Gesichtspunkten in die bundesweite Endlagersuche einbezieht. Da machte Flasbarth den Konrad-Gegnern keine Hoffnung und zog sich dabei auf die „höchstrichterlich bestätigte“ Genehmigung zurück. Er sprach vom Druck aus anderen Bundesländern, die darauf warteten, dass der Atommüll aus ihren Zwischenlagern in ein sicheres Endlager kommt. Und da gibt es für den Bund nur eine Adresse: Schacht Konrad.
So müssen sich die Menschen in der Region darauf einstellen, dass der Bund trotz Energiewende und deutschlandweiter Suche nach einem atomaren Endlager für hochradioaktiven Müll daran festhält, Schacht Konrad auszubauen und in Betrieb zu nehmen. Daran ließ Flasbarth bei der Podiumsdiskussion in der überfüllten Aula am Fredenberg keine Zweifel. Auch die spätere Erhöhung der Kapazitäten um weitere 300.000 Kubikmeter Atommüll schloss er nicht aus, auch wenn dies mit einem neuen Planfeststellunsverfahren verbunden wäre.
Oberbürgermeister Frank Klingebiel nannte es ein Rätsel, dass durch das Unglück von Fukuchima 2011 die gesamte Energieversorgung in Deutschland zur Diskussion gestellt wurde, „nur Schacht Konrad nicht“. Er sprach vom Vertrauensverlust durch den Umstand, dass die Menschen vom Nationalen Entsorgungsprogramm und einer möglichen Lagererweiterung aus der Presse erfahren haben. Für ein redliches Verfahren müsse der Bund transparent prüfen, ob es heutzutage nicht ein besseres Konzept gibt als bei der Antragstellung für Konrad vor mehr als 30 Jahren. Nicht nur er erinnerte daran, dass die Wahl auf Salzgitter als Standort gefallen war, weil es für das Bergwerk nach sechs Jahren Betriebszeit keine Verwendung mehr gab.
„Es gibt hier keine Arbeit, schickt uns bitte den Müll“, beschrieb es Wolfgang Räschke, 1. Bevollmächtigter der IG Metall. Egal wohin die radioaktiven Abfälle später kommen, die Menschen dort hätten eine Anspruch auf die höchste Sicherheit, deshalb forderte er ein bundesweites Suchverfahren wie es jetzt für den hochradioaktiven Müll geplant ist auch für die Abfälle mit geringerer Strahlung.
Ursula Schönberger von der AG Schacht Konrad äußerte grundlegende Sicherheitsbedenken angesichts der mehr als 30 Jahre alten Langzeitplanungen und früheren Berechnungen, „die auf sehr vielen Annahmen beruhten“. Diese sollten mit modernen Verfahren überprüft werden.
Doch selbst Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel, Politiker der Grünen und erklärter Atomkraft-Gegner, machte keine Hoffnung, das Land könnte mit Blick auf das Desaster in der Asse eingreifen und mit Blick auf ein Planungsverfahren aus den 80er Jahren die Genehmigung zurücknehmen. „Wir müssen das nukleare Erbe antreten – ob wir wollen oder nicht“, sagte Wenzel, nach dessen Worten ein aktualisierter Nachweis noch aussteht, ob mit den laufenden Vorbereitungsarbeiten in der Anlage die Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses eingehalten werden. Vor einer möglichen Inbetriebnahme sei sorgfältig zu prüfen, „ob nach dem Stand von Wissenschaft und Technik verfahren wird“.
Wie dieser Stand und die Prüfung konkret aussehen, konnte auch Wolfram König nicht beantworten. Der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) versicherte, die Anliegen der Bevölkerung ernst zu nehmen. Er verwies auf die 500 Nebenbestimmungen, die das BfS laut Feststellungsbeschluss beim Schacht-Ausbau zu erfüllen habe. Es gebe eine laufende Sicherheitsanalyse, warb König um Vertrauen für die Arbeit der in Salzgitter ansässigen Behörde. Er sprach auch von einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung. Konrad könnte als sicheres Endlager die erhöhte Risikosituation in den vielen Zwischenlagern beenden.
In diese Richtung äußerte sich auch Flasbarth, der einst gefordert hatte, Konrad ad acta zu legen. Als Staatssekretär muss er nun die atomare Hinterlassenschaft der Gesellschaft dort unterbringen. Der Schacht sei genehmigt, deshalb werde in den anderen Bundesländern erwartet, dass Konrad in Betrieb geht und ihnen die Lasten abnimmt.
Landvolkvorsitzender Ulrich Löhr beklagte die viele „Formaljuristerei“. Er warnte davor, aus Fehlern wie in der Asse nicht zu lernen und vor einer „Tiefenverklappung“ des Atommülls. Dieser müsse erreichbar bleiben, sollten die Menschen eines Tages über bessere Entsorgungstechniken verfügen.
Doch am Argument der fehlenden Rückholbarkeit steuerten Flasbarth, König und auch Wenzel in ihren Antworten vorbei. Schacht Konrad ist auf die Ewigkeit ausgelegt. An dem Konzept ist nicht zu rütteln.