Rat Salzgitter: Grünen brechen die Koalition mit der SPD
Im Rathaus gibt es keine klare Mehrheit mehr: Die Grünen haben die Koalition mit der SPD mit sofortiger Wirkung für beendet erklärt. Foto: rwe

Rat Salzgitter: Grünen brechen die Koalition mit der SPD

Von RoLand weiterer
Salzgitter. Die Koalition im Rat der Stadt von SPD und Bündnis90/Die Grünen ist Geschichte. Der kleine Partner hat Schluss gemacht. Am vergangenen Dienstag um 12.09 Uhr ging die Email der Grünen raus an die Mitglieder der SPD-Fraktion und löste im Rathaus ein kleines Beben aus.

Auf gut einer Seite erklären die beiden Vorsitzenden Christa Garms-Babke und Marcel Bürger, warum ihre Fraktion „mit sofortiger Wirkung“ aussteigt aus der Koalition. „Die Verlässlichkeit bei Abstimmungen im Rat und seinen Gremien besteht nicht mehr.“ Als Grund dafür sehen sie den Wechsel in der Fraktionsführung von Stefan Klein auf Ulrich Leidecker. Seitdem seien die geschlossenen Fraktionsvereinbarungen mittlerweile Makulatur.

„Alleingänge und
Vorentscheidungen“

Die politische Praxis der SPD-Führung wird nach Ansicht der Grünen seitdem bestimmt durch „nicht abgestimmte Alleingänge und Vorentscheidungen“ mit CDU und CDU-Oberbürgermeister. Dabei hatten beide Parteien im Oktober 2010 schriftlich fixiert, „alle anstehenden Entscheidungen im Sinne einer vertrauensvollen Partnerschaft zu diskutieren und zu treffen“. Abstimmungen sollten „grundsätzlich einvernehmlich“ verlaufen, Unstimmigkeiten sollte der Koalitionsausschuss möglichst „im Vorfeld durch eingehende Beratungen“ ausräumen.
Doch eben jener Koalitionsausschus tagt laut Grüne nicht mehr. „Termine wurden abgesagt, bzw. es wurden hierfür keine Zeitfenster eingeräumt“, heißt es in dem Brief. Der geänderte Kurs in der Fraktionsführung der SPD offenbart laut Bürger und Grams-Babke ein politisches Handeln, das im Widerspruch nicht nur zum Koalitionsvertrag, sondern auch „unserem Werteverständnis“ steht.
Allerdings schlagen die Absender aber auch versöhnliche Töne anschlagen. „Wir bedauern diese Entwicklung, denn wir sind stolz auf die Erfolgsbilanz der Koalition“, schreiben Garms-Babke und Bürger. Diese habe zur Weiterentwicklung Salzgitters und Steigerung der Lebensqualität in der Stadt beigetragen. Und sie räumen ein. dass die Initiativen ihrer „Vier-Personen-Fraktion“ nur mit der „stimmgewaltigeren SPD“ möglich gewesen sei.
Die Sozialdemokraten bedauern zwar den Ausstieg der Grünen und betonten dabei auch das gemeinsam Erreichte, doch bei ihnen überwiegt das Unverständnis. „Rücksichtnahme und Kompromissbereitschaft waren die tragenden Säulen dieser Koalition“, doch sollten diese den Partner keine Fesseln anlegen, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme.
„Gerade als größte Fraktion im Rat der Stadt ist es selbstverständlich, dass mit dem Oberbürgermeister und mit anderen Fraktionen über bestimmte Sachthemen gesprochen wird. Dies muss auch – wenn es die Situation erfordert – im ganz kleinen Rahmen passieren können.“ Gemeint sind damit wohl auch die internen Gespräche kürzlich mit OB und CDU-Spitze über eine mögliche Fusion mit der Gemeinde Liebenburg, von denen der kleine Kolationspartner nichts wusste.

SPD fühlt sich für Bruch
nicht verantwortlich

Die Kündigung treffe die Frakion, werde sie aber nicht schwächen, schreibt die SPD, die sich ausschließlich den Bürger Salzgitters verpflichtet fühlt. In diese Richtung äußert sich auch Fraktionssprecher Leidecker, der die vor allem in seine Richtung weisende Kritik der Grünen zurückweist. „Ich lasse mir keinen Maulkorb verpassen“, sagt er.  Die SPD müsse offen sein und mit allen Fraktionen reden, stellt Leidecker klar. „Wir sind angetreten zur Wahl, für die Stadt das Beste zu tun, nicht für die Partei.“ Künftig müsse sich die SPD nun ihre Mehrheiten suchen und noch mehr Gespräche führen. „Das ist ja auch nicht schlecht.“
Für den Bruch der Koalition sieht sich Leidecker jedenfall nicht verantwortlich. Dass es zwischen den Partnern kriselte, räumt er ein, doch für nächsten Dienstag sei ein Koalitionsgespräch angesetzt gewesen. „Bei vielen Punkte herrscht doch Einigkeit“, sagt der SPD-Politiker. Er habe oft mit mit Marcel Bürger gesprochen und viel mit ihm telefoniert. Deshalb ist das Schreiben für ihn auch „ein Hammer“.
Allerdings dürfte dieser nach Worten Leideckers mehr die Grünen treffen als die SPD. „Sie werden Probleme bekommen“, prophezeit er, zumal der Ausstieg seines Wissens nach nicht mit dem Kreisvorstand abgesprochen gewesen sei. Als erste Reaktion in die Richtung, dass sich der ehemalige Partner nun „zerfleischen“ könnte, wertet der Sozialdemokrat die Entscheidung des bisherigen Grünen-Ratsherrn Andreas Knoblauch, der als Reaktion auf den Ausstieg ebenfalls ausgestiegen ist. Er verzichtet künftig auf seine Sitze im Rat und im Ortsrat Nordwest.

Das sagen
die anderen
Die CDU/FDP-Frakion im Rat nennt den Ausstieg „eine gute Nachricht“ für die Stadt Salzgitter. „All denjenigen, die an der politischen Arbeit im Rat der Stadt beteiligt oder von ihr betroffen sind, kann ein Stein vom Herzen fallen“, so Vorsitzender Rolf Stratmann. Ein Ende von Rot/Grün könnte mehr Raum für Sachlichkeit in der politischen Debatte bedeuten und zu tragfähigeren Beschlüssen zum Wohl der Stadt führen. Ganz überraschend kam der Bruch nicht für Stratmann. „Wenn man sich ansieht, wie sehr der kleine Koalitionspartner dem großen immer wieder die politische Agenda vorgegeben hat und wie oft sich die SPD untergeordnet hat, musste man mit der Trennung eigentlich schon viel früher rechnen.“ Der Zeitpunkt und die Tatsache, dass die Grünen handelten, hatte er aber nicht erwartet. Stratmann hofft, dass sich nun „Mehrheiten wieder häufiger aufgrund von Sachargumenten und weniger aufgrund von Parteipolitik“ finden.

„Die SPD dürfte auf die CDU zugehen, um in wichtigen Fragen eine Einigkeit im Rat zu erzielen“, mutmaßt  Hermann Fleischer, Sprecher der Fraktion Die Linke. Etwas überrascht ist er schon über das Ende der Koalition, aber es habe „einige unterschiedliche Positionen“ von SPD und Grünen gegeben. „Die Spannungen waren zu vernehmen für denjenigen, der im Rat genau zugehört hat“, sagt Fleischer, der sich bis zum Herbst 2016 jetzt auf eine spannende Zeit im Rat freut.rwe