Volles Haus für die SPD-Spitze in Salzgitter-Bad
Die Wahlkundgebung der SPD wollen viele Menschen nicht verpassen. Die Bänke um die Bühne auf dem Marktplatz in Salzgitter-Bad sind gefült. Foto: rk

Volles Haus für die SPD-Spitze in Salzgitter-Bad

SZ-Bad. Für einen Moment scheint es, als verliere Martin Schulz die Fassung. Die Zukunft Europas liegt dem SPD-Chef am Herzen, das ist bei seiner Rede an diesem Abend auf dem gut besuchten Marktplatz zu spüren. Er erinnert die Zuhörer an das „Geschenk“, das Deutschland 1950 gemacht wurde von seinen Nachbarn mit der Aufnahme in die Kohle- und Energiegemeinschaft. Und fast versagt ihm in diesem Moment die Stimme.

Aber Martin Schulz ist erster Mann der SPD und ein Profi, jeden Tag hat er zwei oder drei Auftritte vor vielen hundert Zuhörern, in den großen Städten sind es deutlich mehr als in Salzgitter-Bad. Doch es ist ihm eine Pflicht und Freude, den Wahlkreis seines Vorgängers Sigmar Gabriel zu besuchen. Der alte und der neue Vorsitzende wirken in Salzgitters Abendsonne wie ein Herz und eine Seele, drücken sich im Blitzlichtgewitter der Fotografen.
Und beide betonen die Rolle Europas, deren Anfang für Martin Schulz so wichtig ist. Nur fünf Jahre nach dem verheerenden Weltkrieg hätten Politiker anderer Nationen in ihren Ländern dafür gekämpft, dass Deutschland sich zu einer Demokratie entwickeln und erhobenen Hauptes in die Staatengemeinschaft zurückkehren konnte. Er erinnert an die europäischen Werte, vergleicht sie mit einem „Immunsystem gegen Rassismus und Krieg“. Der Kampf für ein Vereintes Europa müsse Staatsräson für jeden Kanzler sein, fordert Martin Schulz und kritisiert Amtsinhaberin Angela Merkel, die keine Ideen für die EU habe.
„Deutschland geht es gut, aber nicht allen geht es gut“, betont der SPD-Spitzenkandidat. Ihm und seinem Vorredner Sigmar Gabriel geht es vor allem darum, sich von der CDU-Vorsitzenden abzugrenzen und den Zuhörern die Unterschiede klar zu machen, die in Zeiten einer großen Koalition zu verwischen drohen.
Schulz und Gabriel betonen die Bedetuung der Autoindustrie gerade in der Region Salzgitter, wehren sich zugleich gegen den Eindruck, Genossen der Bosse zu sein. Für die Fehler der Unternehmenslenker dürften nicht Verbraucher oder Arbeiter zahlen, warnen beide SPD-Spitzenleute davor, im Vorbeigehen das Ende der Dieseltechnolgie zu verkünden und den Standort Deutschland zu gefährden. Die Industrie brauche „verlässliche Politik und Schutz“, fordert der SPD-Chef.
Beide konzentrieren sich in ihren Beiträgen auf die soziale Gerechtigkeit, auf Bildung und die Rente. Sie stellen ihre Konzepte vor und beklagen sich darüber, dass ausgerechnet Angela Merkel die gesetzlich verankerte Rückkehr von Teilzeit- in Vollzeitjobs verhindert habe. Vor allem Frauen hätten davon profitiert.
Ein Absage des alten und des neuen SPD-Vorsitzenden gibt es auch für die Forderung des US-Präsidenten, den Etat der Bundeswehr zu verdoppeln. „Ausrüstung heißt nicht Aufrüstung“, sagt Martin Schulz, der mehr Polizeikräfte verspricht und Investitionen des Staates in die Zukunft. Denn auch wenn sich Deutschland derzeit in guter Verfassung befindet, ist das für ihn das kein Grund, sich „arrogant“ zurückzulehnen.
„Es soll auch unseren Kindern und Kindeskindern gut gehen“, warnt der oberste Sozialodemokrat davor, „den Wandel in der Welt zu verschlafen“. Und auch für die „Konjunkturitter der Angst“ von der AfD hat er einen Seitehieb parat. Er fordert die Menschen auf, sich „jeder Niedertracht“ in den Weg zu stellen. Martin Schulz: „Respekt sollte die Grundlage unseres Zusammenlebens sein.“