Crowdfunding in Wolfsburg: Der große Schwarm als Geldgeber
Wolfsburg. Zusammen lässt sich vieles in Bewegung setzen. Diese Erkenntnis ist die Grundidee von Crowdfunding, das ins Deutsche übersetzt so viel wie Schwarmfinanzierung bedeutet. Das Prinzip: Möglichst viele Menschen investieren ganz unterschiedliche Geldbeträge in eine Geschäftsidee, die auf speziellen Gründungsportalen wie beispielsweise seedmatch.de im Internet präsentiert wird.
„Besonders bei IT-Start-ups wird Crowdfunding immer beliebter“, sagt Michael Wilkens, Leiter der Geschäftsstelle Wolfsburg bei der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg. „In Deutschland wurde 2013 erstmals die eine Million Euro-Grenze für ein einzelnes Projekt durchbrochen.“ Die Dimension zeigt, dass Gründungswillige gezielt nach Alternativen zu einer klassischen Kreditfinanzierung Ausschau halten.
Ob sich Menschen finden lassen, die in ein Projekt investieren, hängt zuallererst von der konkreten Geschäftsidee ab. Diese war bei den Schwestern Sabrina Schönborn und Laura Gollers vor mehr als drei Jahren so ungewöhnlich wie gefragt. Unter dem Firmennamen SugarShape mit Sitz in Stelle im Landkreis Harburg vertreiben beide Dessous auch in außergewöhnlicheren Größen. Das Besondere: Potenzielle Kundinnen können vor der Produktion von Damenwäsche abstimmen, welche Formen, Farben und Features hergestellt werden.
„Bei SugarShape war eine klare Konzeptidee erkennbar und das Team hat überzeugt“, erinnert sich Heiko Franken, der als Business Angel selbst in das Projekt investiert hat. Diese „Geschäftsengel“ bringen in der Regel größere Geldbeträge und Fachwissen bei Gründungsideen ein, von deren wirtschaftlichem Erfolg sie überzeugt sind. Die beiden Gründerinnen von SugarShape konnten in der Startphase zudem auf einen großen Schwarm von Spendenwilligen zählen.
„Der Trend zum Crowdfunding wird weiter wachsen“, ist René Klein, Mitgeschäftsführer des Onlineportals Für-Gründer.de überzeugt. Die gezielte Suche nach und die Akzeptanz von alternativen Finanzierungsformen führt er auch auf „einen Vertrauensverlust in Banken als klassische Kreditgeber“ zurück.
Dennoch verhehlt der Experte nicht, dass Crowdfunding einen beträchlichen Aufwand bedeutet und rund 30 bis 40 Prozent der so finanzierten Neugründungen sich nicht erfolgreich am Markt durchsetzen könnten. Um ein Scheitern möglichst zu vermeiden, sei es sinnvoll, sich schon vor dem eigentlichen Projektstart die finanzielle Unterstützung anderer zu sichern, empfiehlt Klein.
❱❱ Praktische Beispiele für Crowdfunding-Projekte und Tipps gibt es unter www.seedmatch.de und www.fuer-gruender.de im Internet.
„Solide Vorbereitung ist ein Erfolgsfaktor“
„Crowdfunding als Finanzierungsform hat sich seit 2010 dynamisch entwickelt“, bilanziert René Klein. Der Diplom-Betriebswirt und Mitgeschäftsführer des Online-Portals Für-Gründer.de sieht in einer soliden Vorbereitung einen zentralen Faktor für den späteren Erfolg einer Existenzgründung. „Wichtig ist es, sich mit erfolgreichen Gründern auszutauschen und sich über Projekte zu informieren, die dem eigenen Vorhaben ähnlich sind“, rät Klein.
Um Unterstützung zu finden, ist eine überzeugende Marketingstrategie für die eigene Geschäftsidee entscheidend.
Dazu zählen die Anfertigung von Videos und Graphiken sowie das Erstellen von Werbetexten. Sobald es dann in die Öffentlichkeit geht, kommt es darauf an, das Projekt auf allen möglichen Kanälen zu präsentieren. Dafür bieten sich beispielsweise soziale Netzwerke im Internet an.
Einen Vorteil von Crowdfunding sieht Klein in dem Zugang zu finanziellen Mitteln und darin, dass der Schwarm durch seine Entscheidung für oder gegen ein finanzielles Engagement die Idee zugleich einem Markttest unterzieht. „Zugleich darf man den Aufwand nicht unterschätzen“, dämpft der Fachmann zu hohe Erwartungen. Eine häufige Ursache für ein Scheitern von Gründungen seien nach seinen Erfahrungen zu optimistische Kostenschätzungen, die sich nicht mit den tatsächlichen Einnahmen decken.
Jörn Graue