Mann hielt Mutter für den Teufel: Prozess um Mord im Klinikum
Braunschweig/Wolfsburg. Unter großem Medieninteresse hat am Dienstag im Landgericht Braunschweig der Prozess um den Mord im Wolfsburger Klinikum begonnen. Ein 40-Jähriger soll im Zustand der Schuldunfähigkeit einen arglosen Rentner (85) erstochen haben – die Staatsanwaltschaft will keine Bestrafung des mutmaßlichen Täters, sondern seine dauerhafte Unterbringung in der Psychiatrie erreichen.
Am 15. Februar soll der An-geklagte im Klinikum den wehrlosen Rentner in dessen Bett durch einen Messerstich in die Herzgegend getötet haben. Das Motiv laut Anklage: Der schwer gestörte 40-Jährige habe seine Mutter für den Teufel gehalten; um ihn, den Sohn, zu täuschen, habe die Mutter die Gestalt des Rentners angenommen. Aufgrund seiner Psychose sei der Angeklagte nicht in der Lage gewesen, das Unrecht einzusehen – Unterbringung in der Psychiatrie statt Haft ist daher das Ziel der Staatsanwaltschaft.
Vor Gericht sprach der Angeklagte Mark R. nicht ein Wort. Dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. Joachim Dedden gegenüber aber hatte er sich im Vorfeld eingelassen. Und der schilderte den Angeklagten vor Gericht als schwer gestörte Persönlichkeit.
Schon bei der Erörterung der Familiengeschichte äußerte sich der 40-Jährige mehr als auffällig. Sein Vater sei 70 Jahre alt, die Mutter wohl „etwas jünger“, gab er an – jene Mutter, die der Angeklagte laut Staatsanwaltschaft für den Teufel hielt und die deshalb sterben sollte.Realschule, Mechaniker-Lehre – zunächst verlief das Leben des 40-Jährigen in normalen Bahnen. Doch schon bald konsumierte der Mann Alkohol, Cannabis, Ecstasy und Kokain, war dreimal in stationärer Behandlung. Etwa ein Jahr vor der Tat habe der 40-Jährige begonnen, so genannte „Badesalze“ zu konsumieren – synthetische Cannabinoide, deren Zusammensetzung meist unklar ist und die schwerste Nebenwirkungen haben können: „Epilepsie, Psychosen und Abhängigkeit sind mögliche Folgen“, so der 65-jährige Sachverständige.
Jahrelang hätten den Angeklagten wahnhafte Vorstellungen begleitet, so Dr. Dedden. Er habe unter Verfolgungswahn gelitten, sich von nicht existierenden Personen angefasst gefühlt, Stimmen gehört, die ihm sagten, was zu tun sei. Und irgendwann ab 2015, so habe der 40-Jährige es ihm gegenüber geschildert, „wurde ihm klar, dass seine Mutter dahinter steckt“. Hinter was genau und warum, dazu habe sich Mark R. nicht konkret geäußert. Fest stand in den verwirrten Gedanken des Angeklagten aber offenbar: „Er stand vor der Wahl, sich zu töten, um Ruhe zu haben oder seine Mutter zu töten.“
Der Prozessbeginn fand unter großem Medieninteresse statt. Gleich drei Kamerateams von Fernsehsendern, Fotografen und Reporter berichteten über die Verhandlung. Schon vor Sitzungsbeginn stellte sich Maike Block-Cavallaro als Sprecherin des Landgerichts für Interviews zur Verfügung und erklärte, worum es in diesem Prozess – formal korrekt als „Unterbringungssache“ bezeichnet – geht.
Für die Verhandlung sind drei weitere Sitzungstage vorgesehen; Polizeibeamte, Familienangehörige des Angeklagten und mehrere Sachverständige sollen noch aussagen. Das Urteil wird für Ende Juli erwartet.