
Arbeitsmarkt in Wolfsburg: Engpässe bei Beschäftigten absehbar
Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat erstmals berechnet, wie viele ältere Beschäftigte aus einzelnen Engpassberufen in den nächsten 15 Jahren in Rente gehen. Besonders bei Gesundheitsberufen und Berufskraftfahrern wird es schwer werden, die frei werdenden Jobs wieder zu besetzen.
Der IW-Studie zufolge arbeiten 6,7 von 23,9 Millionen Fachkräften in Deutschland in sogenannten Engpassberufen. Das sind Berufe, bei denen bundesweit mehr offene Stellen als Arbeitslose existieren.
Im September 2014 gab es nach Angaben der IW-Forscher in 139 von 615 analysierten Berufen solche Engpässe. Besonders betroffen sind Bereiche wie „Gesundheit, Soziales und Bildung“ sowie „Bau- und Gebäudetechnik“.
Durch den absehbaren Renteneintritt der Babyboomer-Generation der 50er- und 60er-Jahre wird sich die Situation nach Einsschätzung der IW-Wissenschaftler mittelfristig noch verschärfen, wenn der Nachwuchs ausbleibt: Von den 6,7 Millionen Fachkräften in Engpassberufen werden 2,1 Millionen innerhalb der nächsten 15 Jahre in den Ruhestand wechseln.
Besonders stark betroffen ist der Beruf des Kraftfahrers: Rund 230.000 oder 43 Prozent der insgesamt 529.000 Berufskraftfahrer sind mindestens 50 Jahre alt. Im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege sind 175.000 (30 Prozent) der 568.000 Fachkräfte 50 Jahre und älter – eigentlich ein durchschnittlicher Anteil an Älteren. Doch für dieses Berufsfeld kommt erschwerend hinzu, dass der Bedarf an Fachkräften weiter steigt, weil die Bevölkerung insgesamt altert. „Die Nachwuchsförderung hat hier einen besonders hohen Stellenwert“, erläutert der IW-Berufsforscher Sebastian Bußmann.
„Die Region kann sich dem demografischen Trend nicht entziehen“
Der Fachkräftemangel wird immer mehr zum Problem. In vielen Berufen wie in der Pflege, im Maschinenbau oder der Elek-trotechnik gibt es Engpässe. Das geht aus dem „Fortschrittsbericht 2014 zum Fachkräftekonzept der Bundesregierung“ hervor. Aber wie sieht es im Raum Wolfsburg/Gifhorn aus? hallo sprach darüber mit Michael Wilkens, Leiter der IHK-Geschäftsstelle Wolfsburg.
Ist der Fachkräftemangel ein Problem in der Region?
In den vergangenen Jahren hat Volkswagen viele Fachkräfte nach Wolfsburg und Gifhorn gezogen, so dass die Städte Gifhorn und Wolfsburg inzwischen erheblich weniger Demografie-Probleme als der umliegende ländliche Raum haben. Dennoch altern die Belegschaften im Durchschnitt. Und überregional steht die Region Wolfsburg mit anderen konzerngeprägten Standorten im Wettbewerb. Es wird immer wichtiger für Wolfsburg, fachkräftebezogenes Regionalmarketing zu betreiben. Die Stadt muss sich als lebenswerter Arbeitsstandort präsentieren, um weiterhin attraktiv für Zuzug zu bleiben.
Wohin wird sich das entwickeln?
Trotz der demografischen Entschärfung durch den Zuzug der letzten Jahre wird sich auch die Region Wolfsburg dem demografischen Trend in Gesamtdeutschland nicht entziehen können. Spätestens in 15 Jahren wird die Fachkräftesituation sehr angespannt sein.
Was lässt sich dagegen tun?
Marketing und Attraktivitätssteigerung sind nicht nur für die Region insgesamt wichtig, sondern auch für die Unternehmen selbst. Dabei muss zielgruppengerecht gedacht werden. Die Generation Y hat andere Erwartungen als der 35-jährige Familienvater. Familienfreundlichkeit, Work-Life-Balance, Personalentwicklung und die Unternehmenskultur müssen stimmen. Unternehmen haben die Aufgabe, ihre Werte und Qualitäten gut zu vermarkten. Denn die attraktivsten Angebote nützen nichts, wenn potenzielle Fachkräfte sie nicht wahrnehmen. Darüber hinaus ist es wichtig, alle Fachkräfte-Ressourcen konsequent zu nutzen. Es reicht nicht, nur die Frauenerwerbsquote zu erhöhen. Frauen müssen auch länger arbeiten können. Die Teilzeitquote sollte sinken. Dabei muss die gleichberechtigte Aufteilung zwischen Vätern und Müttern mehr und mehr zum Leitbild werden. Auch betriebliches Gesundheitsmanagement und altersgerechtes Arbeiten werden wichtiger. Zuwanderung ist ebenfalls ein zentrales Thema. Ohne Fachkräfte aus dem außereuropäischen Ausland wird es bald nicht mehr gehen. Als IHK Lüneburg-Wolfsburg arbeiten wir hier in Wolfsburg mit vielen Partnern deshalb sehr intensiv am Thema Willkommenskultur.
Empfehlen Sie Unternehmen, Vergünstigungen in Aussicht zu stellen?
Vergünstigungen wie zum Beispiel Betriebskindergärten oder Betreuungszuschüsse für Eltern machen vor allem dann Sinn, wenn sie zielgruppengerecht einen Mehrwert erzeugen. Unentgeltliche Sprachkurse und eine Gratisheimreise pro Jahr für ausländische Fachkräfte, Massagen und Wellness-Angebote für die „Best-Ager“ sind weitere Maßnahmen.
Wie wichtig ist es, die künftigen Fachkräfte selbst auszubilden?
Selbst auszubilden und auch neue Zielgruppen erfolgreich zu qualifizieren (Migranten, Flüchtlinge, lernschwache junge Menschen) wird für die Unternehmen zunehmend zwingend. Alle Potenziale müssen gehoben werden.